IST EINE ZWANGSRÄUMUNG IM PFLEGEHEIM RECHTENS?
19.09.2024 – (Aktuelle Rechtsprechung)
Allerdings, sagte das Landgericht Lübeck und stimmte damit der Entscheidung zur Zwangsräumung zu. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit um die volle Zahlung des Pflegegelds. Der Frau ist das Fehlverhalten Ihres Betreuers zuzurechnen, der es versäumt hat, rechtzeitig und in voller Höhe zu bezahlen.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 25.04.2024, Az. 5 O 197/23
Das ist passiert
Zwischen der betroffenen Bewohnerin und dem Heim wurde im Jahr 2020 ein Pflegevertrag geschlossen. Seitdem bewohnte die Frau ein Zimmer in dem Pflegeheim. Monatlich sollte die Frau rund 1.800 Euro bezahlen.
Diese Leistungsentgelte wurden aber nicht in voller Höhe beglichen – bereits 2021 lag ein Zahlungsdefizit von rund 6.500 Euro vor. Die mangelnde Zahlungsmoral setzte sich fort, und im Jahr 2023 wurde die Betroffene dreimal gemahnt, die Zahlungen zu leisten. Mittlerweile belief sich der Zahlungsrückstand auf etwa 12.000 Euro. Die Heimbetreiberin kündigte den Heimvertrag wegen des Zahlungsverzugs. Mit Klage vom 18.08.2023 macht die Heimbetreiberin einen Anspruch auf Räumung geltend und sprach vorsorglich erneut die außerordentliche fristlose Kündigung aus.
Zwischenzeitlich bezahlte die Frau immer wieder Teile der Rückstände, aber nicht in ausreichender Höhe. Letzten Endes belief sich der Schuldenstand auf rund 35.000 Euro.
Die beklagte Heimbewohnerin hat einen gesetzlichen Betreuer.
Darum geht es
Das Landgericht muss darüber entscheiden, ob die Kündigung des Heimvertrags rechtmäßig ist.
Die Entscheidung
Die Kündigung ist rechtmäßig. Die Heimbetreiberin hat gemäß § 985 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Anspruch auf Herausgabe des Zimmers, denn sie hat den Heimvertrag wirksam wegen des Zahlungsverzugs gekündigt. Die Bewohnerin hat aufgrund der wirksamen Kündigung des Heimvertrags im Hinblick auf das von ihr bewohnte Zimmer kein Besitzrecht und ist zur Herausgabe verpflichtet. Die Zahlungen, die im Laufe der Zeit aufgrund von Mahnungen erfolgten, glichen nur zu einem geringfügigen Teil die Rückstände aus und lassen den Kündigungsgrund nicht entfallen, zumal neben den erheblichen Rückständen auch die Übernahme der laufenden Kosten für das Pflegeheim nach wie vor ungeklärt ist.
Die Gewährung einer Räumungsfrist gemäß § 721 Zivilprozessordnung (ZPO) kommt nicht in Betracht. Eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO kann auf Antrag oder von Amts wegen gewährt werden, wenn auf Räumung von Wohnraum erkannt wird. Eine Bewilligung ist grundsätzlich auch bei einer Kündigung wegen Zahlungsrückständen möglich. Dabei sind allerdings die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen.
Dies führt im Ergebnis dazu, dass keine Räumungsfrist zu bewilligen ist. Ein Umzug wäre für die Heimbewohnerin aufgrund des Alters mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden. Die Frage, ob eine Räumung aus gesundheitlichen Gründen möglicherweise nicht möglich ist, würde allerdings nur das Vollstreckungsverfahren betreffen. Bei der Abwägung ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass der Heimvertrag im Jahr 2020 abgeschlossen wurde und die Bewohnerin bereits seit 2021 das Leistungsentgelt nicht so gezahlt hat, wie es gemäß Heimvertrag vereinbart worden ist.
Die hohen Rückstände stellen eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für die Heimbetreiberin dar, wodurch mittelbar auch die übrigen Heimbewohner betroffen sind. Spätestens mit dem Zugang der Kündigung im Februar 2023 bestand außerdem eine Verpflichtung, Bemühungen zur Beschaffung von Ersatzwohnraum zu unternehmen. Das Gericht hat dabei gesehen, dass die Bewohnerin aufgrund des hohen Lebensalters nicht mehr in der Lage sein dürfte, sich selbst um alle Angelegenheiten zu kümmern. Sie hat allerdings einen gesetzlichen Betreuer, der für die Sicherung der Zahlung und die Suche nach einer Ersatzunterkunft hätte sorgen müssen. Diese Obliegenheitsverletzung des Betreuers muss der Bewohnerin zugerechnet werden. Es ergibt sich auch keine Entlastung für den Betreuer aufgrund einer Long-Covid-Erkrankung, die er als Grund angab, sich nicht um die Angelegenheiten der Beklagten kümmern zu können. Der Betreuer hätte die rechtliche Betreuung unter diesen Umständen abgegeben und die Bestellung eines anderen Betreuers veranlassen müssen.
Der Betreuer hat erst am 21.02.2024 einen Antrag auf Übernahme von Mietrückständen bei der Stadt Lübeck gestellt, obwohl die Rückstände bereits seit 2021 bekannt und mehrfach angemahnt worden sind. Darüber hinaus geht es im vorliegenden Fall nicht um Mietrückstände, sondern um das nicht bezahlte Leistungsentgelt für ein Pflegeheim.
Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis
Ganz klar entscheidet das Gericht hier für die Heimbetreiberin und macht damit deutlich, dass Betreuerinnen und Betreuer in der Pflicht stehen, die Angelegenheiten, für die sie bestellt sind, auch zuverlässig zu regeln.
Es bleibt abzuwarten, ob die Zwangsräumung auch vollstreckt wird und die Bewohnerin tatsächlich ausziehen muss. Die Räumung muss gesundheitlich zumutbar sein. Das ist jedoch keine Frage des zivilen Rechtsstreits über die Heimkosten, sondern wird erst dann eine Rolle spielen, wenn die Räumung tatsächlich vollstreckt wird. In der Begründung zu der Entscheidung spricht das Landgericht Lübeck diese Problematik an.
Quelle: Landgericht Lübeck, Urteil vom 25.04.2024, Az. 5 O 197/23